„The last thing I want to say is that I hope someone will work on a new restoration of the 1991 Austrian film Flaming Ears. Rote Ohren fetzen durch Asche (Pürrer, Schipek, Scheirl A 1991)!“
Jenni Olson, 2020*
Kinopremiere 26. Oktober 2021 – 20:45 Uhr
Cinéma, Frankfurt am Main
Gäste: Ursula Pürrer, Ashley Hans Scheirl
Inhalt
Digitalisierung
Credits
Stills
Andrea B. Braidt: Aphorismus und Avantgarde. Das Anorganische in Rote Ohren fetzen durch Asche (A 1991) – Auszug
Dank
Digitalisierung
„Ein Wort zu Rote Ohren fetzen durch Asche. 1 Generation zurück, noch klein und bösesüß im Super 8-Format, ist der Film jetzt lässig erwachsen, digital voll präsent dank Asta Nielsen. […] Der Film von 1991 hat's vorweggenommen, wofür erst später die Begriffe gefunden wurden: Vielfalt! Desintegriert euch! Diversity! Gegenwartsbewältigung! Aktiviert euch!“
Dietrich Kuhlbrodt, Februar 2021
ROTE OHREN FETZEN DURCH ASCHE ist eine Kollektivarbeit der österreichischen Avantgardekünstler:innen Ursula Pürrer, Dietmar Schipek und Ashley Hans Scheirl aus dem Jahr 1991.
Die Restaurierung und Digitalisierung erfolgte im Rahmen von Remake. Frankfurter Frauen Film Tage, zu deren Konzept die Sicherung des filmischen Erbes von Regisseur:innen gehört, um filmgeschichtlich wichtige Arbeiten, die nicht mehr adäquat verfügbar sind, im Rahmen von Festivals, Kinos, Museen und Galerien einem großen Publikum wieder zugänglich zu machen.
Von Super 8 zu 16mm
Der Film wurde auf Super 8 gedreht. Ein etwa 2-stündiger Rohschnitt wurde auf 16mm umkopiert, um daraus den Feinschnitt zu erstellen. Der Ton wurde nachsynchronisiert.
Von 16mm zu 4K
Verantwortlich für Bilddigitalisierung und Grading ist Lutz Garmsen, ein Spezialist für die Restaurierung des Experimental- und Avantgardefilms.
Als wir mit der Recherche begannen, hofften wir noch, das originale Kameramaterial und die Magnettöne aufzufinden; diese blieben aber verschollen, wie auch die Protokolle der Kopierung.
Im Filmlager Unterföhring lagerten das Internegativ, Schnittreste und das Lichtton-Negativ. Alle Negativmaterialien hatten Vinegar-Syndrom im Anfangsstadium mit ca. 1% Schrumpfung.
Neben den Negativen hatten wir als Referenz erst einmal nur die Verleihkopie von Sixpack, Wien, doch Ton und Bild dieser Kopie waren in schlechtem Zustand.
Nachdem wir bereits auf der Grundlage des Lichtton-Negativs aufwändige Restaurierungsarbeiten gemacht hatten, konnte uns die Kinemathek Hamburg Mitte 2020 doch noch die Belegkopie der Hamburger Filmförderung zur Verfügung stellen, die sich als Depositum im Bundesarchiv Filmarchiv in Koblenz befindet.
Diese Kopie änderte alles – wir hatten wunderschöne Farben als Referenz und eine Magnettonspur, die eine deutlich bessere Qualität und Dynamik hatte.
Das Internegativ und die gut erhaltene Kinokopie wurden mit 14-Bit Farbtiefe und 4K-Auflösung mit einer Kinetta digitalisiert. Bei der Digitalisierung wurde das Negativ komplett mit Perforationen und Randnummern von Rand zu Rand abgetastet.
Damit die Referenz tatsächlich den „richtigen“ Farben entspricht, wurden mit einem im Rahmen eines Forschungsprojektes von Prof. Dr. Barbara Flückiger vom Filmwissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich entwickelten Multispektral-Film-Scanners szenenweise Proben gezogen, um daraus Lookup-Tables für die farbrichtige Darstellung des Digitalisats zu erstellen, indem die Farben im dreidimensionalen Farbraum verschoben werden, ein von Dr. Giorgio Trumpy, Zürich, entwickeltes Verfahren.
Neben den avancierten technischen Mitteln verdankt das Digitalisat seine außerordentliche Qualität der Mitarbeit von Ursula Pürrer. Mit ihr zusammen wurden alle Nuancen der Licht- und Farbbestimmung ausgearbeitet. Super 8 ist ein körniges Material ohne hohe Auflösung. Die Ästhetik des Films ist rau, sozusagen Punk; das sollte in der Digitalisierung keineswegs flachgebügelt werden. Wir haben also von Kornreduzierung und Glättungen abgesehen, lediglich leichte technische Probleme wie Bildstand oder Fussel wurden hie und da korrigiert. Der Schwerpunkt der Bild-Restaurierung lag auf dem Erhalt der filmischen Materialität und Farbe. Sie sollte ein Gedächtnis des Super 8-Films seiner Zeit enthalten.
Von Mono zu 5.1
Die Digitalisierung und Bearbeitung des Tons erfolgte durch Eckard Kuchenbecker und Marius Kuchenbecker.
Auf der Tonebene ist der Film Rote Ohren fetzen durch Asche ebenso experimentell, wie er es bildlich und inszenatorisch ist.
Nach der professionellen Abtastung der Kopie bei dem belgischen Studio Cinévolution in Mons durch den Experten Jean-Pierre Verscheuren konnte die Restaurierung und Gestaltung der Tonspur fortgesetzt werden.
Neben Arbeitsschritten wie beispielsweise dem Entfernen von Knacksen und der Absenkung des Grundrauschens entschieden wir uns für einen Upmixing-Prozess in das 5.1-Format. Hintergrund dieser Überlegung ist der Gedanke, dem gegenwärtigen Kinopublikum, welches an raumfüllende Klangwelten in modernen Kinosälen gewöhnt ist, die Möglichkeit zu geben, den Film so wahrzunehmen, wie er auf ein damaliges Publikum gewirkt hätte.
Technisch setzt sich die Mehrkanalfassung aus mehreren Elementen zusammen.
Zum einen wurde ein Algorithmus verwendet, der den Diffusanteil eines Audiosignals extrahieren und daraus ein dekorreliertes Seitensignal erzeugen kann. Des Weiteren wurden durch den szenenspezifischen Einsatz von künstlichen Reflexionen und Nachklang Raumeindrücke herausgearbeitet. Durch die Generierung von subharmonischen Frequenzen wurde ein Subwoofer-Kanal erstellt.
Diese Elemente, in den Verhältnissen angepasst an Dramaturgie und Rhythmus, ergaben die Mehrkanaltonspur des Filmes.
Lutz Garmsen, Karola Gramann
Credits
ROTE OHREN FETZEN DURCH ASCHE
Österreich 1991
Regie: Ursula Pürrer, Dietmar Schipek, Ashley Hans Scheirl
Darsteller:innen: Susanna Heilmayr, Ursula Pürrer, Ashley Hans Scheirl, Margarete Neumann, Gabriele Szekatsch, Dietmar Schipek, Anthony Escott, Luise Kubelka
Produktion: Loop TV-Video Film Produktion, Wien
4K-Filmdigitalisierung: Lutz Garmsen
Farbkorrektur und digitale Restaurierung: Lutz Garmsen, Ursula Pürrer
Farbberatung: Barbara Flückiger, Giorgio Trumpy
Tonabtastung und -digitalisierung: Jean-Pierre Verscheure, Laurent Verscheure, CINEvolution
Tonbearbeitung, Restaurierung und Mischung: Marius Kuchenbecker
Tongestaltung und Bearbeitung: Eckhard Kuchenbecker, Nikolaus Garmsen
Projektleitung: Karola Gramann, Kinothek Asta Nielsen e.V.
Aphorismus und Avantgarde.
Das Anorganische in Rote Ohren fetzen durch Asche (A 1991) – Auszug
Andrea B. Braidt
„Nichts, nichts kann mich je besänftigen.“
Rahel Varnhagen
„Sich wie ein empfindendes Ding fühlen, heißt zuallererst, sich von einer instrumentellen Vorstellung emanzipieren, wonach die sexuelle Erregung naturgemäß auf die Erlangung des Orgasmus ausgerichtete wäre.“
Mario Perniola, Der Sex-Appeal des Anorganischen
Schwarzfilm. Synthie-Techno-Sound. Bam. Donner. Bam. Die Credits einer Filmproduktionsfirma (Loop), drei Namen (Angela Hans Scheirl, Dietmar Schipek, Ursula Pürrer). Ein leises Pfeifen. Geräusch einer hängengebliebenen Nadel auf einer Schallplatte - wir sind noch im 20. Jahrhundert. Voice-Over einer weiblichen Erzählstimme, tief, hauchend:
„Im Jahre 2700 – das Jahr der Kröten – war ‚Asche‘ eine ausgebrannte Stadt. Zu groß für ihre Seelen, die sich in finsteren Kellerlöchern zusammenrotteten, war sie ein unbändiges wildes Tier, jederzeit bereit dem Tod ins Gesicht zu pinkeln. Und darin standen ihr ihre Bewohner um nichts nach. Höchst unwahrscheinlich waren die Überlebenschancen eines reinen Herzens.“1
Aufblende auf ein Fenster im nächtlichen Regen, im Gewitter, wehende Vorhänge, Blitz und Bildfragmente in grün und rot, Schwenk auf „Spy“, eine der weiblichen Hauptfiguren (Susanna Heilmayr) am Schreibtisch. Weiße, weite Bluse (New Romance), Federkiel, manisch konzentriert schreibend, oder zeichnend. Zwischenschnitte auf Frucht und Blüte (Les Fleurs du Mal), sie öffnet die Bluse, nimmt einen Schluck aus der Schnapsflasche und geht zum Fenster. Von außen sehen wir sie mit aufgerissenen Augen (Cathy? Heathcliff?) das Fenster schließen, Cut Away auf zwei pissende Heilige, es blitzt. Ein Zweig schlägt aufs Fenster. Szenenwechsel.
Dank an
Angelika Beckmann
Christine N. Brinckmann
Andrea B. Braidt
Gunter Deller
Barbara Flückiger
Eva Maria Kuhlmay
Gunter Oehme
Jenni Olson
Thomas Pfeiffer
Ursula Pürrer
Dieter Reifarth
Giorgio Trumpy
Jean-Pierre Verscheure
Laurent Verscheure
Katja Wiederspahn
Kino Arsenal Berlin, mal seh’n Kino Frankfurt am Main, Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Kino Passage Erlenbach, Metro Kino Wien
Die Restaurierung und Digitalisierung von ROTE OHREN FETZEN DURCH ASCHE erfolgte 2020 durch die Kinothek Asta Nielsen e.V. im Rahmen eines Projektes von Remake. Frankfurter Frauen Film Tage 2019.
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