SHOES

USA 1916 | Regie, Buch: Lois Weber | Kamera: Stephen S. Norton, King D. Gray, Al Siegler | Darsteller*innen: Mary MacLaren, Harry Griffith, Mattie Witting, Jessie Arnold, William Mong, Lina Basquette | Produktion: Lois Weber, Phillips Smalley, Bluebird Photoplays Inc. | s/w | DCP von 35mm, restaurierte Fassung | 57 min | stumm | amer. ZT + dt. UT | EYE Filmmuseum Amsterdam

Mit dem Film SHOES nahm Lois Weber eines der drängendsten sozialen Phänomene der Progressive Era in Angriff – den Eintritt junger unverheirateter Frauen ins Berufsleben. Ihr Interesse am Schicksal der unterbezahlten Verkäuferinnen entsprach vielen soziologischen Studien der Epoche, die das ‚Problem‘ junger weiblicher Angestellter untersuchten; oft ging es darum, welche Bedürfnisse die kommerzielle Erholungskultur und Konsumentenökonomie weckten, vor allem im Kontext der urbanen Gemeinden, in denen junge Frauen wohnten und arbeiteten – dies oftmals ohne direkte Beaufsichtigung durch ihre Familien. Shop girls wie die Protagonistin von SHOES wurden in diesen Studien vor allem erfasst, denn ihre Arbeit verband industrielle mit der kommerziellen Sphäre […]. Während SHOES durchaus den besorgten Tenor der Reformbroschüren verstärkte, erlaubt er es vor allem dem Publikum der Mittelschicht (insbesondere Frauen), die Aufstiegsträume und Sehnsüchte der working girls nachzuempfinden. So spiegelt der Film nicht einfach die Sorgen der zeitgenössischen Reformbewegung, sondern demonstrierte die entscheidende Rolle des Kinos in diesen Diskussionen und erzeugt in diesem Intertext einen komplexen Dialog über die Rolle, die das Kino in der Gesellschaft der Progressive Era spielen könnte.

Im Mittelpunkt von SHOES steht Eva Meyer (Mary MacLaren), Verkäuferin in einem five-and-dime store, deren magerer wöchentlicher Fünf-Dollar-Lohn ihre Eltern und drei jüngere Schwestern mitversorgen muss; außer ihr verdient die Mutter (Mattie Witting) als Wäscherin noch ein wenig Geld. Der Vater (Harry Griffith) ist unfähig – oder, wie der Film suggeriert, nicht willens, Arbeit zu finden, so dass die älteste Tochter die Familie unterhalten muss. Da sie den ganzen Tag im Laden auf den Füßen ist, sind Evas Schuhsohlen bald durchgelaufen. Sie bittet ihre Mutter um Geld, um neue Stiefel zu kaufen, die sie in einem Schaufenster gesehen hat, aber diese kann ihr nicht helfen. Nachdem Eva sich erkältet hat, als sie mit ihren schadhaften Schuhen in den Regen kommt, und da sie wieder kein Geld von der Mutter erhält, nimmt sie schließlich die beharrliche Einladung eines Mannes an, der ihr Komplimente macht und bei der Arbeit nachstellt, und trifft sich eines Abends mit ihm in einem Kabarett. […]

Mit SHOES […] wird das Publikum zunächst eingeladen, das Innenleben einer Verkäuferin aus der Arbeiterklasse mitzuerleben, um dann aber angeregt zu werden, außerhalb von deren persönlicher Erfahrung den größeren sozialen und ökonomischen Kontext zu betrachten, in dem sie lebt. Mit SHOES appelliert Weber an Zuschauerinnen, von denen sie glaubt, dass sie Aktivistinnen des Wandels einer progressiven Gesellschaft werden könnten. (Shelly Stamp)

Die Musik

Interessant ist, dass Lois Weber eine sehr gut ausgebildete, professionelle Konzertpianistin war, bevor sie Filmregisseurin wurde. Diese Vergangenheit wirkt nach in ihren Filmen; sie fühlen sich in Zeitduktus und Raumaufbau musikalischer an als andere Filme dieser Zeit, und für sie zu komponieren erscheint quasi natürlich.

Trotz solcher genuinen Musikalität gibt es Probleme zu lösen: Der Film wird als ‚Drama‘ präsentiert, doch zugleich hat er einen starken dokumentarischen Touch. Das hängt mit der Frage zusammen: wie Armut darstellen? Als Zuschauer, Zuschauerin, von außen oder von innen her? Aus meiner Sicht ist Lois Weber beide Wege gleichzeitig gegangen, im Lauf des Films wechselt sie immer wieder erfinderisch und mit feinem Gespür die Perspektiven. Dieses Wechseln wurde zum Ausgangspunkt meiner Komposition. Lois Weber beschreibt es selbst: „Ein leichtes Kräuseln an der Oberfläche, gleitet der Fluss des Lebens dahin, ohne viel Notiz zu nehmen von den Wracks, die auf seinem Grund treiben.“ – In der Musik versuche ich, dieses leichte Kräuseln in allen möglichen Formen und Gestalten zu schaffen, die obere Schicht eines langen musikalischen Flusses, der seinem Ende entgegentreibt. (Maud Nelissen)

Die Komponistin

Maud Nelissen aus den Niederlanden ist eine der international bedeutendsten Stummfilmpianistinnen und -komponistinnen, sie tritt in Europa, den USA und in Asien auf und spielt regelmäßig bei den Festivals Il Cinema Ritrovato, Bologna, und Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone. Die Zusammenarbeit der Kinothek Asta Nielsen mit ihr reicht zurück bis ins Jahr 2002, mehrfach wurden Kompositionsprojekte in Kooperation mit ZDF/arte realisiert und vom Sender ausgestrahlt. Nelissen ist Gründerin des Stummfilmorchesters The Sprockets.

Die Solistinnen

Maud Nelissen, Komposition und Klavier

Daphne Balvers, Sopran- und Altsaxophon

Timora Rosler, Cello

© Milestone Film & Video
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Abkürzungen
DF deutsche Fassung
s/w schwarz-weiß
OV Originalversion
UT Untertitel
+UT elektronische Live-Untertitelung (unterhalb des Bildes)
ZT Zwischentitel
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Filmaufführung:
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